Alte Fahne 2024/25:
Andreas Lazarek
Fahnen gehören seit alters her zum Schützenwesen. So war es zu allen Zeiten in der Bruderschaft etwas besonderes, die Fahne tragen zu dürfen. Für denjenigen, den man dazu auserwählte, galt dieser Dienst als besondere Ehre.
Schon in den ersten überlieferten Statuten der Bruderschaft von 1777 ist die Rede von einer „Huberti fahne“, welche die Kompanie anführen solle. Sie zeigte bereits damals den 1736 erstmalig erwähnten Bruderschaftspatron, den hl. Bischof Hubertus.
Die Geschichte um die Entstehung des Brauches der Alten Fahne ist heute nicht mehr eindeutig nachzuvollziehen. Wann und wie der Brauch, unter den Schützenbrüdern den Träger derselben zu wählen, entstanden ist, kann nur vermutet werden. Bei jeder Neuanschaffung einer Fahne musste es zwangsläufig auch eine Vorgängerin, also eine „alte“ Fahne geben. Sie trug man aus Respekt auch weiterhin mit. Diese Ehre wurde dem Träger der Alten Fahne zuteil. Aus der Überlieferung ist bekannt, dass bereits 1921 vom Träger der Alten Fahne gesprochen wurde. Hier handelt es sich wahrscheinlich um die Schützenfahne, welche bis zur Weihe der neuen Fahne, 1856 durch Pfarrer Joseph Kleff, als Schützenfahne getragen wurde. Im Jahr 1921 trug Hermann Lübke diese Alte Fahne, wie ein Foto aus diesem Jahr dokumentiert. Sie zeigt den „Alte Fahne-Träger“ in der obere Reihe als zweiten von links, der den Spitzhut mit Feder und die Schärpe trägt.
Für die folgenden Jahre fehlen jedoch weitere Angaben auf Fotos oder in den entsprechenden Vorstandsprotokollen der Bruderschaft über die Benennung der Fahnenträger. Erst in der Niederschrift über die Vorstandssitzung vom 28. Mai 1953 wird davon wieder berichtet: „Auf die Tagesordnung war für diesen Abend lediglich das Fahnenproblem gesetzt worden. Die I. Fahne wurde den neuen Vorstandsmitgliedern mit der Maßgabe zugeteilt, die Fahnenträger unter sich zu bestimmen. Die II. Fahne erhalten die Vorstandsmitglieder H. Scheffer-Christes, Heinz Tillmann und Karl Ulrich. Als Träger für die alte Fahne wurde Hubert Blome, Sundern, Linneper Straße verpflichtet.“ Von der Jahrhundertwende bis zur Gründung der drei Kompanien im Jahr 1959 bestand der erweiterte Schützenvorstand aus 18 Schützenbrüdern, jeweils sechs aus einem Jahrgang. Die Wahl der Schützenbrüder erfolgte jeweils für drei Jahre. Der Träger der Alten Fahne wurde stets aus den Reihen des 3. Jahrgangs auf der Vorstandssitzung direkt vor dem Schützenfest bestimmt. Aus Erzählungen ist überliefert, dass diese Ehre dann meistens dem ältesten Mitglied des Jahrgangs zuteil wurde. Im Gegensatz zu heute brachte zur damaligen Zeit ausschließlich der Vorstand die Alte Fahne dem gewählten Träger nach Hause. Anschließend verblieb die Fahne das Jahr über in seinem Haus. Heute wird der Träger der Alten Fahne auf der Abrechnungsfeier der Bruderschaft nach dem Schützenfest unter den Vorstandsmitgliedern des zweiten Jahrgangs in geheimer Wahl gewählt, um diese dann im letzten Vorstandsjahr tragen zu können. Hierbei ist zu beachten, dass jedem Schützenbruder nur einmal in seinem Leben die Ehre zuteil wird, Träger der Alten Fahne zu werden. Sollte er nach drei Jahren weitere drei im Vorstand verbleiben, dürfte er im zweiten Jahr zwar mitwählen, jedoch nicht mehr selbst gewählt werden. Als Motto und Grundsatz für die Fahnenträgerwahl gilt: „Träger der Alten Fahne soll werden, wer sich im Laufe seiner aktiven Vorstandszeit für die Bruderschaft eingesetzt und sich nichts zu Schulden hat kommen lassen.“ Wie berichtet wurden die Fahnenträger in den früheren Jahren aus den eigenen Reihen der Jahrgänge bestimmt. Ab dem Jahr 1965 wurde er gewählt. Die Aufgabe des Wahlleiters übernahm von 1965 bis 95 das heutige Ehrenvorstandsmitglied Franz Maassen, dann Ehrenhauptmann Anton Wiehe. Zur Zeit obliegt diese Aufgabe dem Hauptmann. Ein paar Wochen nach der Wahl findet dann die eigentliche Übergabefeier statt, welche durch den Erwählten ausgerichtet wird. Zur Feier lädt er den geschäftsführenden Vorstand, die Kompanieoffiziere, manchmal mit den Kompanievorstandsmitgliedern der Fahnenträgerkompanie, sowie seinen Amtsvorgänger ein. Wie früher verbleibt die Alte Fahne dann das Jahr über im Haus des Fahnenträgers.
In der Festschrift zum Jubelfest 1954 werden erstmalig die Träger der Alten Fahne namentlich erwähnt, beginnend mit Karl Ulrich für das Jahr 1954. In dieser Liste werden die Fahnenträger mit dem Jahr aufgeführt, in dem sie die „Alten Fahne“ getragen haben. Im Laufe der Nachforschungen für die Chronik musste die Liste neu geordnet werden und zeigt heute die Träger der „Alten Fahne“ mit dem Jahr, in dem Sie als Fahnenträger gewählt wurden. Aufgrund dieser Neuordnung und den neu ermittelten Trägern beginnt die Liste heute mit dem ersten Schützenfest nach dem Krieg im Jahr 1950 und somit mit dem Fahnenträger Wilhelm Blome.
In den folgenden Jahren wurden während der Umzüge am Schützenfest drei Fahnen getragen: Die heutige Bruderschaftsfahne, welche als „neue Fahne“ bezeichnet wurde, aus dem Jahre 1912 mit hellem Stoff sowie grünem und blauem Saum, die Alte Fahne von 1856 bzw. deren Vorgängerin, mit Netz, dunklem Holzschaft und Hirschkopfspitze sowie eine Netzfahne mit Stoff belegtem Schaft und einer Spitze mit den Initialen IHS. Sie wird in den Protokollen als „Zweite Fahne“ bezeichnet. Die Initialen gehen auf die Frömmigkeit der Jesuiten zurück und werden volkstümlich als Abkürzung für „Jesus, Heiland, Seligmacher“ verwandt. Wann und aus welchem Grund diese Zweite Fahne angeschafft wurde oder ob es vielleicht sogar die von Pfarrer Kleff geweihte Fahne ist, lässt sich heute leider nicht mehr nachvollziehen.
Im Jahr 1971 stiftete der Alte Fahne-Träger Ferdinand Wiethoff eine Schutzhülle, um das Traditionsstück Sunderner Schützenwesens das Jahr über sicher aufzubewahren. Als man jedoch fünf Jahre später am Tag der Übergabe an Alois Grünebaum, kurz vor dessen Haus, die Fahne aus der Schutzhülle nehmen wollte, musste der Vorstand mit Erschrecken feststellen, dass sich die Fahne zum Großteil über das Jahr zersetzt hatte. Man hatte sie wohl im nassen Zustand in ihre Hülle getan, was fatale Folgen hatte. Nun war guter Rat teuer! Damit der Träger der Alten Fahne im Festzug überhaupt eine Aufgabe hatte, übernahm kurzerhand die Zweite Fahne die Funktion der Alten Fahne. Doch auch dies sollte und konnte nur eine vorübergehende Lösung sein. Der „Kompanieschneider“ Hans Schwerbel wusste Rat und schuf aus den Resten der „Alten“ und der Zweiten Fahne sowie einer ehemaligen Kriegerfahne eine neue Alte Fahne, welche noch heute mit Stolz getragen wird. Der stoffummantelte Schaft mit der Spitze und ihren Initialen IHS trägt auf dem Fahnentuch den Reichsadler der Kaiserzeit samt Schriftzug, „Gehorsam, Treue, Tapferkeit – Des deutschen Kriegers Ehrenkleid“ sowie das Bildnis des Bruderschaftspatrons St. Hubertus in Bischofstracht.
Auf einen besonderen Brauch möchte ich in diesem Zusammenhang noch aufmerksam machen: Schon seit den 1960er Jahren kommt jedes Jahr kurz vor Schützenfest das so genannte „Mottenkommando“ zum Träger der Alten Fahne. Es hat die Aufgabe, zu kontrollieren, ob die Fahne das Jahr hindurch keinen Schaden genommen hat. Diesen verantwortungsvollen Dienst übernehmen die Frauen des Geschäftsführenden Vorstandes und der Kompanieoffiziere sowie die amtierende Königin. Im Laufe dieser „Kontrollfeier“ versuchen die Damen, dem Fahnenträger die Erkennungszeichen seiner Würde, nämlich Spitzhut mit Feder, Schärpe und manchmal sogar die Fahne selbst, zu verstecken. Nachdem der Fahnenträger alle Teile wieder gefunden hat und die Fahne für gut erhalten befunden wurde, klingt die Feier aus. Über die Ereignisse der Kontrollfeier und die des Fahnenträgerjahres berichtet das Mottenkommando in Versform auf einem verzierten Leder, welches der Alte Fahne-Träger bei seinem Abschied überreicht bekommt.
Bis Mitte der 1990er Jahre wurde der Träger der Alten Fahne vom Festzug am Schützenfest teils zuhause, teils in verschiedenen Sunderner Lokalen (z.B. Zur Eule, Klause, Gasthof zur Post oder Kolpinghaus) abgeholt. Da sich aber die Träger im Laufe der Jahre mehr und mehr durch neue Wohngebiete außerhalb des Zentrums über das Stadtgebiet verteilten, wurden die Wege für den Schützenzug zu lang, so dass fortan als zentraler Abholpunkt der Gasthof zur Post, genannt„bei Hanno“, heute Doro’s Gasthaus, gewählt wurde. Im Laufe des Jahres wird die Alte Fahne nur während des Schützenfestes getragen und begleitet den Festzug am Sonntag- und Montagnachmittag. Nach dem Einmarsch in die Schützenhalle treffen sich die ehemaligen mit dem amtierenden Träger zum alljährlichen Schützenfest-Stammtisch, der durch die 2001 angeschaffene Tischstandarte zu erkennen ist.
2003 stiftete das damalige Königspaar Marcus Schauerte und Carla Ramroth der Alten Fahne als Königsgeschenk ein in Tusche geschriebenes und mit goldenen Buchstaben verziertes Pergament, auf dem alle Träger verzeichnet sind. Diese mühevolle Arbeit wurde von Willi Wiegenstein kunstvoll erstellt und bekam in der Hubertushalle einen Ehrenplatz.
Seit dem Jahr 1995 treffen sich die Träger der Alten Fahne einmal im Jahr zum gemütlichen Beisammensein. Dieses Treffen findet privat an wechselnden Orten statt und erfreut sich nach wie vor bei den jungen wie auch den alten Trägern der Alten Fahne großer Beliebtheit. Wie lautet ein dabei oft ironisch zitierter Spruch:
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